Neue Wohnimmobilienkreditrichtlinie für Kreditnehmer
Ende März 2016 ist ein neues Kreditgesetz, die Wohnimmobilienkreditrichtlinie, in Kraft getreten. Für Kreditnehmer ändern sich neben einigen Formalien in den Vertragswerken vor allem die Annahmekriterien. Speziell ältere Kreditnehmer müssen fortan häufiger mit einer Absage rechnen. Inhalt und Auswirkungen der „Wokri“.
Für das Gesetz wurde § 491 (3) BGB neu geschaffen, der „Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge“ in Abgrenzung zu „Allgemein-Verbraucherdarlehensverträgen“ definiert. Die größte Neuerung: Ein „Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag“ liegt fortan auch dann vor, wenn kein Grundbucheintrag erfolgt.
Kein Kredit mehr für Carport und Wintergarten?
Damit wirkt sich die „Wokri“ auf ganz gewöhnliche Ratenkredite aus: Gibt ein Kreditantragsteller gegenüber seiner Bank an, einen gewöhnlichen Ratenkredit für den Bau eines Carports verwenden zu wollen, kann es allein deshalb zur Ablehnung kommen. Auf explizite Nachfragen müssen sich Verbraucher diesbezüglich allerdings nicht einstellen.
§ 492 b (3) räumt Banken ein, vom Kreditnehmer den Abschluss einer „einschlägigen“ Versicherung als Voraussetzung für die Kreditvergabe zu verlangen. Der Gesetzgeber hat sich hier für eine unpräzise Formulierung entschieden, die viel Raum für Interpretationen lässt.
Bezöge sich die Regelung allein auf Versicherungen zur Absicherung des Gebäudes (z. B. Wohngebäudeversicherung), hätte dies auch so formuliert werden können. Als „einschlägig“ könnten dagegen auch Berufsunfähigkeitsversicherungen oder gar die relativ teuren Restschuldversicherungen durchgehen.
Kreditwürdigkeitsprüfung – mehr Ablehnungen für Kreditnehmer ab 50?
Der Gesetzgeber verlangt Banken im Rahmen der neuen Richtlinie eine strengere Kreditwürdigkeitsprüfung ab. So soll die Kreditvergabe nur noch möglich sein, wenn es „wahrscheinlich“ ist, dass der Kreditnehmer seinen Verpflichtungen auch tatsächlich nachkommt. Wann genau eine hinreichende „Wahrscheinlichkeit“ vorliegt, dürfte erst in vielen Jahren durch die Rechtsprechung entschieden werden.
Gemäß § 505b (2) BGB darf die Kreditwürdigkeitsprüfung bei Immobilienkrediten fortan nicht mehr „hauptsächlich“ auf den Wert der belasteten Immobilie abzielen. Das bedeutet zwangsläufig eine stärkere Gewichtung der Einkommensverhältnisse bis zur vollständigen Rückzahlung.
Diese Regelung dürfte eine deutlich schwierigere Ausgangslage für Kreditinteressenten mit geringem Einkommen bedeuten. Mehr noch: Auch Interessenten mit gutem Einkommen müssen ab einem Alter von 50-55 Jahren mit Absagen rechnen, wenn die Rentenansprüche absehbar gering ausfallen.
Banken dürften die Annahmekriterien an drei Stellen verschärfen:
- Das Höchstalter für die Kreditaufnahme sinkt
- Die Bewertung des Kaufpreises wird restriktiver
- Die Anforderungen an Erwerbs- und Ruhestandseinkommen steigen
Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ berichtete Ende Juli 2016 über Details aus der Kreditprüfungspraxis. So berücksichtigten Banken bei älteren Kunden, dass diese vor der Rückzahlung des Darlehens sterben könnten. Bei jüngeren Kreditnehmern würden sehr vorsichtige Prognosen im Hinblick auf Einkommen und Rentenansprüche angesetzt. Die Institute wollen sich damit laut FAZ vor Klagen wegen Falschberatung schützen.
Restriktivere Kreditvergabe aus Angst vor Rechtsprechung?
In diesem Zusammenhang ist § 505d BGB relevant, der Verstöße der Bank gegen die Anforderungen bei der Kreditwürdigkeitsprüfung sanktioniert. Liegt ein solcher Verstoß vor, reduziert sich der gebundene Sollzins eines Immobilienkredits auf den Kapitalmarktzins für Hypothekenpfandbriefe bei der entsprechenden Laufzeit.
In der Branche gilt als problematisch, dass die Anforderungen der Wohnimmobilienkreditrichtlinie an die Kreditwürdigkeitsprüfung so unpräzise gehalten sind. Letztlich entscheidet dann in etlichen Jahren die Rechtsprechung darüber, ob Verträge rückwirkend angepasst werden müssen oder nicht. Durch höchstrichterliche Urteile wie z. B. jenes des BGH zu Bearbeitungsgebühren ist die Branche hellhörig geworden: Mit dem Urteil wurde die Effektivverzinsung hunderttausender Darlehen per Richterbeschluss de facto rückwirkend reduziert.
Wohnimmobilienkreditrichtlinie Kritiker sehen Entwertung von Grundeigentum
Die Branche fordert mittlerweile vehement Nachbesserungen an dem Gesetz und sieht nicht nur die Kreditvergabe im Immobiliensektor gefährdet, sondern gar eine Entwertung von Grundeigentum vorgenommen. So warnte der Genossenschaftsverband Bayern (GVB) einige Monate nach dem Inkrafttreten des Gesetzes vor einer „eingeschränkten Verfügbarkeit“ von Immobilienkrediten.
Der GVB, der rund 1.300 genossenschaftliche Institute vertritt, berief sich dabei auf eine aktuelle Umfrage der Deutschen Bundesbank. Demnach haben sich einige Institute bei der Vergabe von Immobilienkrediten im zweiten Quartal deutlich restriktiver gezeigt. Diese Entwicklung hatte sich bereits im ersten Quartal angedeutet und wird auch von der Bundesbank auf die Wohnimmobilienkreditrichtlinie zurückgeführt. Im Geschäft mit Firmen- und Konsumentenkrediten gab es dagegen keine nennenswerte Straffung der Annahmekriterien.
Nach Angaben des Verbands müssten deutlich mehr Anfragen abgelehnt werden – darunter häufig solche von Kunden, die vor der neuen Regelung noch die Anforderungen erfüllt hätten. Insbesondere junge Familien und Rentner sind nach Darstellung des GVB von der Entwicklung betroffen. Der Verband fordert deshalb Nachbesserungen am Gesetz und verweist auf Österreich, das bestehende Wahlrechte im Text der EU-Richtlinie besser ausgenutzt habe. Insbesondere müssten Darlehen mit dinglicher Absicherung in Zukunft wieder möglich sein.
Nicht alle Banken weisen ab
Reaktionen der Banken auf die neue Gesetzeslage der Wohnimmobilienkreditrichtlinie scheint allerdings sehr heterogen zu sein. Die FAZ beruft sich auf den Vorstand eines großen Vermittlers, demzufolge „einige Banken gar keine Anpassungen, anderen dagegen deutliche Änderungen vor allem für ältere Kunden“ vorgenommen hätten. Von älteren Kunden wird demnach neben mehr Eigenkapital und höheren Tilgungen mitunter auch die Aufnahme von Erben in den Darlehensvertrag erwartet.
Vermittler weisen explizit auf die sehr unterschiedliche Handhabung der Richtlinie hin. Das Risiko einer Ablehnung sei zwar gestiegen, die Kreditvergabe aber auch weiterhin für Rentner, Selbständige und Familien möglich – wenn nur intensiv genug nach einer Bank mit geeigneten Annahmekriterien gesucht werde.
Fazit: Die Wohnimmobilienkreditrichtlinie hat den Kreditmarkt verändert: Der Wert einer Immobilie spielt bei der Kreditprüfung nun eine geringere, das Einkommen eine größere Rolle. Insbesondere Antragsteller mit knapp bemessenem Spielraum wie z. B. Rentner und Familien müssen deshalb länger nach einer Bank suchen.
weitere Infos rund ums Thema Wohnimmobilienkreditrichtlinie finden Sie u.a. auch bei der Bafin:
https://www.bafin.de/DE/PublikationenDaten/Jahresbericht/Jahresbericht2016/Kapitel2/Kapitel2_1/Kapitel2_1_7/kapitel2_1_7_node.html